Abb. 1: Blick auf Sondershausen 1966 (https://www.ddr-postkarten-museum.de/picture.php?/7088 letzter Zugriff 12.02.2025 18.00 Uhr)
Willkommen auf unserer Website: Zahlen der Ausreiseanträge (1979-1990) und Rücknahme von Ausreiseanträgen (1970-1990) aus der DDR in den Landkreisen Sondershausen und Artern
Unsere Website bietet ein interessantes Interview, mehrere anschauliche Analysen der Ausreiseanträge und der Rücknahme von Anträgen in Sondershausen und Arten im Zeitraum 1979-1990 (Antrag) und 1970-1990 (Rücknahme), sowie auch persönliche Erfahrungen von Menschen aus dieser Zeit. Auf der Suche nach einem Thema für den Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten "Bis hierhin und nicht weiter - Grenzen der Geschichte", haben wir den Kontakt zu unserem örtlichen Kreisarchiv im Kyffhäuserkreis gesucht. Die Mitarbeiter des Archivs zeigten hohe Kompetenz und halfen uns beim Umsetzen der Ideen, indem sie uns Einblicke in die Vergangenheit gewährten. Gemeinsam suchten wir nach Ideen, wodurch wir auf die gut erhaltenen Listen der Ausreiseanträge von Sondershausen und Artern gestoßen sind. Diese spiegeln die damaligen Geschehnisse wieder und zeigen die Grenzen auf, welchen sich die ausreisewilligen Bürger stellen mussten. Für uns ist es wichtig, Sie umfangreich über dieses Thema zu informieren. Wir wollen Sie dazu einladen, mehr darüber herauszufinden, wie hoch der Grad an Unzufriedenheit in den Kleinstädten sowie den Kreisen Sondershausen und Artern war.
Nun wünschen wir Ihnen viel Spaß beim Durchstöbern unserer Website und hoffen, dass Sie mehr über die Vergangenheit der kleinen Städte Sondershausen und Artern und der dazugehörigen DDR-Landkreise lernen.

Inhaltsverzeichnis
1 Gründe für die Ausreise von DDR-Bürgern
2 Interview mit dem zuständigen Kreisarchivar und Historiker Daniel Manthey
3 Analytische Daten in Bezug auf Ausreise aus der DDR in Sondershausen und Artern (1979-1990)
3.1 Ausreiseanträge Sondershausen, 1979-1990
3.2 Ausreiseanträge Sondershausen, 1989
3.3 Rücknahme von Ausreiseanträgen Sondershausen, 1970-1990
3.4 Ausreiseanträge Artern, 1979-1990
3.5 Ausreiseanträge Artern, 1989
3.6 Rücknahme von Ausreiseanträgen Artern, 1970-1990
4 Vergleich Sondershausen und Artern
5 Lage der Städte Sondershausen und Artern
6 Erkenntnisse über den Prozess einer Ausreise
7 Fazit
8 Quellenverzeichnis
Abb. 2: Überblick von Sondershausen in der DDR (https://img.oldthing.net/9985/41201393/0/n/Sondershausen-Mehrbildkarte-DDR-ua-mit-Gasthaus-Planplatz-Rathaus-1962.webp?t=1704711919 letzter Zugriff 12.02.2025 22.00 Uhr)
1 Gründe für die Ausreise von DDR-Bürgern
Abb. 3: Schloss von Sondershausen und Markt, Postmarke (https://www.ddr-postkarten-museum.de/picture.php?/7099, letzter Zugriff 12.02.2025 21.00 Uhr)
Viele Menschen in der DDR wollten ausreisen, weil sie mit den politischen und wirtschaftlichen Bedingungen unzufrieden waren. Besonders nach dem Volksaufstand am 17. Juni 1953, der gewaltsam niedergeschlagen wurde, flohen viele in den Westen. Die Flucht wurde jedoch ab dem 13. August 1961 durch den Bau der Berliner Mauer fast unmöglich, sodass Menschen offiziell einen Ausreiseantrag stellen mussten.
Ein weiterer politischer Faktor war die Unterzeichnung der KSZE-Schlussakte 1975, in der sich die DDR zur Einhaltung von Menschenrechten verpflichtete. Das weckte Hoffnung bei vielen, legal ausreisen zu können. Besonders in den 1980er-Jahren erstarkte die Opposition, vor allem durch Umwelt- und Bürgerrechtsgruppen, die sich gegen das Regime stellten. Viele von ihnen stellten Ausreiseanträge, um Repressionen zu entgehen oder in der Hoffnung auf eine größere Reisefreiheit. Schließlich führte der zunehmende Protest im Jahr 1989 – verstärkt durch die Fluchtbewegung über Ungarn – zur Öffnung der Grenzen.
Auch wirtschaftliche Probleme spielten eine große Rolle. Schon in den 1950er-Jahren verloren viele Bauern durch die Zwangskollektivierung ihren Besitz und entschieden sich zur Flucht. In den 1960er- und 1970er-Jahren verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage weiter. Die Planwirtschaft führte zu Mangelwirtschaft, während sich die DDR beim Westen verschuldete. Besonders in den 1980er-Jahren spitzte sich die Lage zu: Viele Waren waren knapp, darunter Kaffee, Autos und Bananen. Diese anhaltenden Engpässe und die Aussicht auf ein besseres Leben in der BRD motivierten viele Menschen zur Ausreise.
Letztendlich war es eine Kombination aus politischer Unzufriedenheit und wirtschaftlicher Not, die viele DDR-Bürger dazu brachte, ihr Land verlassen zu wollen.
2 Interview mit dem zuständigen Kreisarchivar und Historiker Daniel Manthey in Sondershausen (12.02.2025, 11.56 Uhr)
In Bezug auf die Frage: Warum wurde die Ausreise erschwert?
„Man wollte die Macht des DDR Systems demonstrieren, um auch weitere Ausreiseanträge zu verhindern“
[Daniel Manthey]
3 Analytische Daten in Bezug auf Ausreise in der DDR in Sondershausen und Artern (1979-1990)
Im Folgenden stellen wir unsere Ergebnisse der Analyse von Ausreiseanträgen, aber auch von zurückgenommenen Anträgen in Diagrammen da. Besonders im Jahr 1989 verspürten die Menschen aus unseren Landkreisen das Verlangen, aus der DDR auszureisen, weswegen wir uns dazu entschieden haben, das Jahr 1989 genauer unter die Lupe zu nehmen.
3.1 Ausreiseanträge Sondershausen, 1979-1990
3.2 Ausreiseanträge Sondershausen, 1989
Faktencheck: Während am Anfang der 80er-Jahre relativ wenig Anträge gestellt wurden, nahmen diese ab 1984 rasant zu und erreichten im Wiedervereinigungsjahr einen klaren Höhepunkt. Es ist wichtig zu erwähnen, dass bei einigen der 420 Personen keine Geburtsdaten vorhanden waren, weswegen bei 420 Personen nur 386 Menschen einem Alter zugeordnet konnten. Vor allem junge arbeitende Menschen (21-40 Jahre, 41-60 Jahre) erhofften sich durch den Antrag auf Auswanderung eine bessere Zukunft. Aber auch Menschen über 60 Jahren und damit meist Rentner erhofften sich ein besseres Leben während ihrer Rentenzeit, da die Rente in der DDR oft sehr gering ausfiel. Menschen mit einem Alter von über 60 Jahren lies man oft schneller ausreisen. Mehr Frauen haben einen Antrag gestellt (viele Männer dieser Generation waren im Krieg gefallen). Ein Antrag beinhaltete durchschnittlich 1,85 Personen. Viele Familien (Zahl der Familien kann von 210 Anträgen abweichen, da es nicht immer direkt ersichtlich war) entschlossen sich, zusammen aus der DDR auszuwandern. Dass 1989 auch viele Menschen unter 20 Jahren auswanderten, zeigt, dass meist ganze Familien einen Neuanfang in der BRD wagten.
Menschen aus Sondershausen stellten am häufigsten 1989 einen Antrag. Die Altersverteilung verläuft im Verhältnis parallel zu den oben genannten Fakten. Mehr Männer stellten einen Antrag als Frauen. Ein Antrag beinhaltete durchschnittlich 2,3 Personen. Es wollten somit 1989 auch mehr Familien ausreisen.
3.3 Rücknahme von Ausreiseanträgen Sondershausen, 1970-1990
Faktencheck: Im Gegensatz zu den Anträgen nahmen mehr Männer ihre Anträge auf Auswanderung zurück als Frauen. Die Rücknahme von Anträgen erfolgte meist eher durch Einzelpersonen als die Aufnahme eines Antrags, da dort oft ganze Familien einen Antrag stellten, was bei der Rücknahme anders verlief. Ein Antrag beinhaltete durchschnittlich 1,42 Personen. Somit nahmen mehr einzelne Personen als Familien ihren Antrag zurück.
3.4 Ausreiseanträge in Artern, 1979-1990
3.5 Ausreiseanträge Artern 1989
Faktencheck: Die Anzahl der Ausreiseanträge ist bis zum Jahr 1989 geringfügig zu betrachten. und in keinem Jahr kam man über 20 Anträge. Dies Wandelte sich rapide im Wiedervereinigungsjahr 1989 mit etwas mehr als 6,5-fach so vielen Anträgen. Alterstechnisch ist zu erkennen, dass mit 75, 38% vor allem die jungen arbeitenden Menschen (21-40 Jahre) die meisten Anträge aus ausreise stellten. Im Vergleich dazu stellten nur 0,61% der Älteren (81-100 Jahre) einen solchen Antrag. Die anderen Altersklassen sind ungefähr im Gleichgewicht, man verzeichnet aber auch eine Abnahme der Anträge mit steigendem Alter (41-100 Jahre). Das Verhältnis der Anträge beruhend auf dem Geschlecht ist ungefähr gleich, es stellten nur 9 Männer mehr einen Antrag auf Ausreise womit dem Verhältnis der Frauen 48, 62% und dem der Männer 51,38% entsprechen. Ein Antrag beinhaltete durchschnittlich 1,38 Personen, was verdeutlicht, dass mehr Personen einzeln ausreisten.
1989 stellten die meisten Arterner einen Antrag auf Ausreise. Die Altersverteilung zeigt auf, dass in diesem Jahr mit 79,14% vor allem die jungen Menschen (21-40 Jahre) einen Antrag auf Ausreise stellten. Im Vergleich dazu stellten in diesem Jahr sowohl die Jüngeren als auch die Älteren jeweils weniger als 20 Anträge. Ein weiteres Kriterium ist das Verhältnis von ausreisewilligen Frauen und Männern. Die Differenz war in jenem Jahr gering und nahezu ausgeglichen zwischen den Geschlechter, da nur eine Frau weniger einen Antrag stellte als die Männer. So war das Verhältnis 50,27% Männer und 49,73% Frauen. Ein Antrag beinhaltete auch in diesem Jahr durchschnittlich 1,38 Personen, was signalisiert das dass Verhältnis der Familien ausreisen konstant war im Vergleich zu der Zeitspanne und der Einzelbetrachtung.
3.6 Rücknahmen der Ausreiseanträge in Artern von 1970-1990
Faktencheck: Im Gegensatz zu den Anträgen nahmen mehr Männer als Frauen ihre Anträge auf Auswanderung zurück. Das Verhältnis der Rücknahme von Anträgen ist relativ einheitlich, die meisten zogen ihren Antrag einzeln zurück und nur ein einziger Antrag wurde von zwei Personen zurückgezogen. Ein Antrag beinhaltete durchschnittlich rund 1,02 Personen. Somit nahmen mehr einzelne Personen als Familien ihren Antrag zurück.
4 Vergleich Sondershausen und Artern
Abb. 4: Rathaus von Artern 1968 (https://www.ddr-postkarten-museum.de/picture.php?/11122 letzter Zugriff 12.02.2025 18.10 Uhr)
Faktencheck: Zwischen 1979 und 1990 stellten in Artern insgesamt 325 Personen 235 Ausreiseanträge, während in Sondershausen 420 Personen 229 entsprechende Gesuche einreichten. Bemerkenswert ist, dass in Sondershausen fast 100 Menschen mehr einen Antrag auf Ausreise stellten und das obwohl in Artern nur sechs Anträge mehr gestellt wurden. Ein Grund dafür könnte sein, dass in Sondershausen mehr Familien gemeinsam einen Antrag auf Ausreise stellten, während in Artern meist alleine oder zu zweit gereist wurde.
Somit waren Familienausreisen in beiden Städten präsent, jedoch in unterschiedlichem Ausmaß. In Artern reisten von 1979-1990 25,23% der Personen als Familienverbund mit gleichem Nachnamen aus, während in Sondershausen ganze 65,48% der Anträge von Familien verzeichnet wurden, was weit über das doppelt der Arterner Familienanträge ist. Ein anderer anzunehmender Grund könnte die Größe des Kreise sein, wenn man sich diese aber den Stand von 1989 ansieht wird erkennbar, dass zwar Sondershausen mit 598 Quadratkilometern im Vergleich zu Artern mit 473 Quadratmetern eine größere Fläche vorweisen konnte, dafür aber nur 53.806 Einwohnern verzeichnete, Artern allerdings 54.274 Einwohner.
Die Altersstruktur der Antragstellenden zeigt Unterschiede zwischen den beiden Städten. In Artern waren 75,38% von den antragstellenden Personen im Alter von 21 bis 40 Jahren, während in Sondershausen nur 47,41% dieser Altersgruppe angehörten. Auffällig ist, dass in Sondershausen 24,61% der jüngere Menschen (0–20 Jahre) einen Antrag auf Ausreise stellten. Verglichen mit den gerade einmal 9,23% der Personen in Artern. Zudem verzeichnete Sondershausen mit 14,25% in den höheren Altersgruppen (61–80 Jahre) mehr Anträge als Artern mit nur 2,46%.
Des Weiteren wird ersichtlich, dass sowohl in Artern die Verteilung des Geschlechts der Antragsstellenden mit 158 Frauen und 167 Männern, wie auch jene in Sondershausen mit 214 Frauen und 206 Männer ungefähr im Gleichgewicht war. In Artern waren 48,62% der Frauen ausreisewillig und in Sondershausen 50,95%. Dies könnte ebenso an den Familienausreisen legen, da in Artern vor allem zu zweit, meist Mann und Frau gemeinsam ausreisten und in Sondershausen ebenso, nur das die Familien dort oft größer waren.
evt % und Zahlen bei SDH ändern je nachdem ob es 211 oder 210 sind
Das Jahr 1989 war in beiden Städten der Höhepunkt der Anzahl an Ausreiseanträgen. In Artern stellten 187 Personen 133 Anträge, wobei 51 Familien, bestehend aus mindestens zwei Personen des selben Nachnamens ausreisewillig waren. Im Vergleich dazu reisten 85 Personen alleine aus. In Sondershausen wurden 210 Personen mit 91 Anträgen vermerkt, mit 169 Familienausreisen.
Die Altersverteilung zeigt in jenem Jahr dass in Sondershausen vor allem die Jüngeren mit 82,85% (0-20, 21-40 Jahre) einen Antrag auf Ausreise stellten. In der selben Altersspanne stellten in Artern mit 85,56% nur wenige mehr einen Antrag auf Ausreise. Zudem verzeichnen sowohl Sondershausen als auch Artern mit 0,48% in den höheren Altersgruppen (61–80 Jahre) dort die am wenigsten vertretene Altersspanne.
Des Weiteren wird ersichtlich, dass sowohl in Artern die Verteilung des Geschlechts der Antragsstellenden mit 93 Frauen und 94 Männern, wie auch jene in Sondershausen mit 104 Frauen und 106 Männer ungefähr im Gleichgewicht war. In Artern waren 49,73% der Frauen ausreisewillig und in Sondershausen 49,52%.
Bezüglich der Rücknahme von Anträgen im Zeitraum von 1970 bis 1990 zogen in Artern 52 Personen (12 Frauen und 40 Männer) insgesamt 51 Anträge zurück. In Sondershausen wurden allerdings 186 Personen insgesamt 131 Anträge (79 Frauen und 107 Männer) zurückgenommen. Unter denen in Artern waren 23,08% Frauen und 76,92% Männer und in Sondershausen waren 57,53% Männer und 42,47% Frauen. Dies spiegelt wieder dass mehr Männer als Frauen ihr Anträge zurückzogen.
5 Lage der analysierten Städte Sondershausen und Artern
Städte (Sondershausen, Kyffhäuserkreis) (Artern, Kyffhäuserkreis) unserer Arbeit
6 Erkenntnisse über den Prozess einer Ausreise
Innerhalb unserer Forschung sind wir auf Unterlagen gestoßen, die aufzeigen, in welchem Rahmen die Anträge gestellt wurden. Sie beinhalteten Anträge der Antragstellenden, beispielsweise mit dem Wunsch, die Familie aus BRD und DDR zu vereinigen.
Um einer solchen Übersiedlung nachzukommen, kam auf die meisten Ausreisewilligen ein langes Verfahren zu, welches aus einem ständigen Briefkontakt und persönlichen Gesprächen zwischen ihnen und der zuständigen Behörde, wie beispielsweise der Abteilung Inneres des Rates des Kreises in Sondershausen, vonstatten ging.
Wer ausreisen wollte, musste zunächst einen Antrag auf Ausreise stellen. Dieser wurde dann laut unseren Erkenntnissen aus den Dokumenten maschinell abgeschrieben.
Darauf folgten dann Beurteilungen des ausreisewilligen Bürgers/der ausreisewilligen Bürgerin. Dabei wurden der Wohnort seit der Geburt, der Beruf und, wenn vorhanden, der Rahmen der aktiven Zeit im Wehrdienst aufgeführt. Auch gesellschaftlich wurden die Ausreisewilligen sowie ihre Familien beurteilt.
Diese Beurteilung wurde zunächst vom Bürgermeister unterzeichnet, darauf folgte eine weitere Beurteilung des Arbeitgebers, in welcher vor allem die berufliche Karriere beleuchtet und eine Einschätzung zur Person auf menschlicher Ebene vorgenommen wurde, einschließlich der Tätigkeiten, in denen die Person organisiert ist und ihrer Bereitschaft hinsichtlich der Arbeitsmoral. Nach diesen Formalien kam es dann zu einer Aussprache mit der ausreisewilligen Person und weiteren anwesenden Personen, welche auch knapp verschriftlicht wurde. Das Ziel einer solchen Aussprache war es, zu ergründen, warum der Antrag auf Ausreise gestellt wurde und nach Möglichkeit zur Rücknahme zu bewegen. In diesem Gespräch musste die Person darlegen, warum sie den Wunsch zur Ausreise hatte und ob die Gründe politischen Ursprungs waren.
Diesem Prozess mussten sich damals viele Bürger und Bürgerinnen unterziehen, welche den Wunsch verspürten in die BRD zu übersiedeln. Oft erfuhren sie einen anstrengenden Ablauf und viel Ablehnung. Sie musste für das was sie wollten kämpfen, Schikanen ertragen, sich selbst verändern, vor Familie und Freunden standhaften bleiben und vieles mehr. So wie zuvor beschrieben erging es auch dem Bürger, dessen Prozess wir im Folgenden anonym beleuchten werden.
Sein Wunsch war die Zusammenführung mit seiner Verlobten und seiner Tochter, welche am 18.05.1977 in der BRD geboren wurde. Doch dieser Erstantrag scheiterte und wurde nach seiner Anhörung am 11.08.1980 abgelehnt. Daraus resultierte nun ein neuer Antrag am 26.09.1980, in welchem der DDR-Bürger erneut seine Absicht begründete; dabei verdeutlichte dieser den Wunsch zu heiraten und eine Familie zu gründen. Auch davon wurde wieder eine Abschrift von der inneren Abteilung des Rates des Kreises getätigt und vermerkt, dass sich seine vorherige Einstellung nach Ablehnung und Verwehren des Besuchs der Tochter und Verlobten nicht änderte.
Es folgten weitere Ausreiseanträge im Juni und September 1981 sowie im Oktober und November 1982, bis es dann zur Genehmigung und späteren Übersiedlung des Antragstellenden am 23.12.1982 kam.
Doch der Weg dorthin war von Aussprachegesprächen mit der Familie des Ausreisewilligen, wie dem Vater, und mit ihm selbst geprägt. All dies ist an zusammengefassten Mitschriften zu verfolgen, durch welche nachzuvollziehen ist, dass das System dem Antragstellenden ab dem Jahr 1981 einen "negativen Wandel" attestierte und er auch aus der Gewerkschaft ausgeschlossen wurde, da er die Beiträge nicht mehr zahlte. Außerdem folgten Formulare mit den Angaben zur Person, welche Wohnort, Arbeitsstelle, Partei, Vermögen in der DDR und Ähnliches beinhalteten. Als man sich der Genehmigung näherte, musste ein Fragebogen zur Übersiedlung in die BRD ausgefüllt werden. Außerdem gab es Schreiben zwischen dem Rat des Bezirkes und dem Rat der Stadt, um Übereinkunft über die Übersiedlung zu treffen. Nun wurde geprüft, ob der Ausreisewillige noch Schulden bei beispielsweise der Familie in der DDR zu begleichen hatte, und eine Bescheinigung darüber, dass man schuldenfrei sei, ausgefüllt wurde. Nun folgte vom Rat des Kreises eine letzte Beurteilung zur Person, und abschließend wurde im Dezember ein Laufzettel mit Angaben zur Person sowie eine Aufzählung von Dingen, die man anmelden musste, wie beispielsweise die Speditionen, und Dingen, die man abmelden musste, wozu beispielsweise die Rente gehörte. Außerdem gilt zu bemerken, dass in den Unterlagen erkennbar wurde, dass junge und arbeitende Antragstellende einen erschwerten Prozess der Übersiedlung hatten, da diese als Arbeitskräfte in der DDR gehalten werden sollten. So kam es auch, dass der Antrag der zuvor beleuchteten Person an die 40 Seiten umfasste. Im Vergleich dazu wurden Anträge von Rentnern und Kriminellen schneller bearbeitet, da diese meist als „Last“ wahrgenommen wurden. Der in den Dokumenten bestehende kürzeste Antrag eines Inhaftierten umfasste beispielsweise nur zwei Seiten.
Alle oben zu sehenden Bilder sind abfotografierte Archivalien des Kreisarchivs Kyffhäuserkreis. Zu sehen sind anonymisierte Unterlagen zu den Ausreiseprozessen der DDR aus Artern und Sondershausen.
7 Fazit
Faktencheck: Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sowohl in Artern als auch in Sondershausen der Wunsch nach einem Wandel vorhanden war. Und zwar sowohl bei der männlichen als auch bei der weiblichen Bevölkerung. Besonders erkennbar wird dies anhand der Statistiken im Jahr 1989, denn dort wurden in beiden Städten über 200 Anträge auf Ausreise gestellt. Gründe dafür könnten politisch, gesellschaftlich, durch Wunsch auf Familienzusammenführund oder ähnlichem resultieren aber auch durch die manipulierten Wahlen bei den DDR-Kommunalwahlen am 07.05.1989, die Unterzeichnung der KSZE-Schlussakte von 1975 und die damit verbundenen Menschenrechtsverpflichtungen der DDR gewesen sein. Dies stärkte den Wunsch nach Reisefreiheit und beeinflussten die Entscheidung vieler Bürger, Ausreiseanträge zu stellen. Außerdem kam es zunehmend zu Unzufriedenheit mit den politischen und wirtschaftlichen Bedingungen in der DDR, was wiederum zu verstärkten Protesten führte und ebenso zu verhäuften Ausreiseanträgen. Allerdings wurde das offizielle Ausreisen erheblich erschwert. Dies galt vor allem für das junge, arbeitende Volk, da die DDR bei diesen Arbeitskräften nicht auf Verluste aus war. Anhand unseres Experten-Interviews konnten wir erfahren, dass es deshalb vor allem den Jüngeren erschwert wurde. Die Älteren und Rentner wiederum erfuhren eine einfachere Übersiedlung, so auch Kriminelle und all jene die keinen Fortschritt für die DDR brachten. Wie es bei den Arbeitskräften war, so war die DDR auch generell auf Gewinn aus. Dort wollte man keine Einbußen hinnehmen, weshalb jeder, der ausreisen wollte, nicht alles, was wertvoll war, mit in die BRD nehmen durfte. Zudem wurde explizit die Schuldenfähigkeit jedes Einzelnen geprüft. Anhand dieser Aspekte wurde das Ausreisen für den Großteil der Ausreisewilligen deutlich erschwert. Dennoch kam es zu Ausreisen, welche vor allem 1989 ihren Höhepunkt erfuhren. Dies bedeutete rückschließend auch Einbuße für die jeweiligen Kreise Artern und Sondershausen. Besonders zu verzeichnen sind diese in der Arbeitswelt und den dadurch möglicherweise entstandenen Fachkräftemangel, denn es gab weniger Personen und somit auch weniger Arbeitskräfte, Außerdem fassten mit den Jahren immer mehr Leute die Idee der Ausreise und hegten den Wunsch in die BRD zu übersiedeln. Durch Bekanntschaften im Westen kam in der DDR an, dass dort einiges besser war, es wurden Reformen gefordert und schließlich kam es zum Fall der Mauer.
Um es mal aus heutiger Sicht zu betrachten, es sind mittlerweile mehr als 30 Jahre nach der Wiedervereinigung und die Unterschiede zwischen Ost und West noch immer nicht ganz Geschichte. Klar, die Mauer ist weg, aber in den Köpfen existieren noch gewisse Trennlinien – sei es bei Löhnen, Renten oder der Wirtschaftskraft. Viele Ostdeutsche fühlen sich nach wie vor benachteiligt, was sich auch in politischen Stimmungen widerspiegelt.
Doch die Zeiten ändern sich: Die jüngeren Generationen, die ohne DDR aufgewachsen sind, sehen die Unterschiede oft nicht mehr so drastisch. Trotzdem bleibt das Thema brisant – besonders, wenn es um die Frage geht: „War und ist der Westen wirklich besser?“ Die Meinungen dazu gehen auseinander.
Was bleibt? Die Herausforderung, Vergangenheit und Zukunft in Einklang zu bringen – und echte Gleichwertigkeit nicht nur auf dem Papier, sondern auch im Alltag zu schaffen.
Abb. 5: Bahnhof Glückauf bei Sondershausen - Kaliwerk Glückauf in der Zeit der DDR (https://www.fotocommunity.de/photo/sondershausen-lutz68/25868366 letzter Zugriff 12.02.2025 18.15 Uhr
8 Quellverzeichnis
- Brunold, Robin. “Ausreise aus der DDR: Die Massenflucht der 80er Jahre.” Geschichte-Lernen.net, 23. Dezember 2020. Abgerufen am 12. Februar 2025.
- Bundeszentrale für politische Bildung. “Sommer 1989: Die große Flucht aus der DDR | Hintergrund aktuell.” Abgerufen am 12. Februar 2025.
- Bundeszentrale für politische Bildung. “Vermögen in West- und Ostdeutschland nach Alter.” bpb.de, 2020. https://www.bpb.de/kurz-knapp/zahlen-und-fakten/soziale-situation-in-deutschland/61778/vermoegen-in-west-und-ostdeutschland-nach-alter/. Abgerufen am 26. Februar 2025.
- Bundeszentrale für politische Bildung. “Vor 30 Jahren: Fonds Deutsche Einheit.” bpb.de, 2020. https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/309740/vor-30-jahren-fonds-deutsche-einheit/. Abgerufen am 26. Februar 2025.
- Demokratie statt Diktatur. “Reisefreiheit.” https://www.demokratie-statt-diktatur.de/stasi-und-die-menschenrechte/reisefreiheit/. Abgerufen am 18. Februar 2025.
- Haus der Geschichte. “Flucht und Notaufnahme.” LEO – Das Länder-Erinnerungs-Online-Portal, 2020. https://www.hdg.de/lemo/kapitel/geteiltes-deutschland-gruenderjahre/mauerbau/flucht-und-notaufnahme.html?utm_source=chatgpt.com. Abgerufen am 26. Februar 2025.
- Kreisarchiv Sondershausen. Unterlagen zu den Ausreiseanträgen der DDR aus Artern und Sondershausen, einschließlich Dokumente zum Verfahren der Ausreiseanträge:
- KreisA Kyff A/II/03 Ausreiseanträge; KreisA Kyff A/II/03.141, 160, 164, 177, 196-198 (Ausreise Rat des Kreises Sondershausen, Abteilung Inneres)
- KreisA Kyff A/III/03 Listen 1-18 (Ausreise Rat des Kreises Artern, Abteilung Inneres)
- LeMO. Kapitel: “Ausreise.” https://www.hdg.de/lemo/kapitel/geteiltes-deutschland-krisenmanagement/niedergang-der-ddr/ausreise.html. Abgerufen am 18. Februar 2025.
- Manthey, Daniel. Interview mit dem zuständigen Archivar und Historiker Daniel Manthey in Sondershausen, durchgeführt von Berninger Novalie und Schrödter Emil am 12. Februar 2025, 11:56 Uhr.
- Rechner.club. “Kreisdiagramm erstellen.” Aus https://www.rechner.club/diagramm/kreisdiagramm-erstellen. Abgerufen am 15. Februar 2025.
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